Die genetische Hornlosigkeit (Polled) beim Rind hat eine lange Entwicklungsgeschichte. Schon auf Zeichnungen und Skulpturen aus dem antiken Ägypten finden sich Hinweise auf hornlose Rinder. Auch in Schottland belegen prähistorische Zeugnisse das Auftreten hornloser Rinder, deren Weiterentwicklung wahrscheinlich zu der Entstehung von Rassen wie Aberdeen Angus und Galloway geführt hat.
In der heutigen Zeit gewinnt das Züchten von nicht-horntragenden Rindern immer stärker an Bedeutung.
• Das Verletzungsrisiko durch Hornstöße kann gesenkt werden und die damit
verbundenen negativen Auswirkungen auf die Leder- bzw. Fleischqualität
verhindert werden.
• Der Stresspegel innerhalb der Herde ist geringer.
• Rangordnungskämpfe werden seltener und weniger heftig ausgetragen.
• Der Umgang mit den Tieren wird erleichtert und birgt weniger Gefahren für den
Menschen.
Ferner rückt das Enthornen von Kälbern aus tierschutzrechtlicher Sicht immer mehr in den Fokus. Die Zerstörung der Hornanlage kann mittels Brenneisen oder Ätzstift erfolgen. Dieser schmerzhafte Eingriff darf laut Gesetz bei Kälbern unter 6 Wochen auch ohne Betäubung erfolgen. Eine chirugische Entfernung des Horns/ der Hornanlage ist aufwendiger und darf nur durch den Tierarzt vorgenommen werden.
Diese Aspekte machen es erstrebenswert, erblich bedingte Hornlosigkeit in der Rinderpopulation zu etablieren. Zu den Rassen, bei denen dieses Merkmal bereits genetisch fixiert ist zählen Galloway, Aberdeen Angus, Polled Hereford, Red Poll oder die im skandinavischen Raum verbreiteten Fjällrinder.
Durch Spontanmutationen kommt es auch in anderen Rassen immer wieder zum Auftreten hornlos geborener Rinder. Durch den gezielten Einsatz solcher Tiere in der Zucht, kann das Polled-Merkmal mittlerweile auch in zunehmendem Maße in Rassen wie Fleckvieh, Deutsch Holstein oder Limousin beobachtet werden und vielen Haltern ist bereits der Aufbau genetsich hornlosen Herden gelungen.
Erbgang:
Umfangreiche Studien haben gezeigt, dass die Hornausprägung durch mehrere Genorte beeinflusst wird. Der sogenannte H-Locus bestimmt unabhängig vom Hornstatus des Tieres, dass Rinder generell dazu in der Lage sind, Hörner zu bilden. Das sogenannte African horn gene kommt bei den afrikanischen Rinderrassen (Zebu-Rinder) vor und ist bei den europäischen Rindern nicht von Bedeutung.
Ob es zum Hornwachstum kommt oder nicht wird durch den Polled-Genort bestimmt. Dieser liegt auf dem ersten Rinderchromosom (BTA1). Durch aufwendige Markerstudien ist es gelungen, diese Region auf eine Mb einzugrenzen.
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Die Ausprägung des Merkmals Polled basiert auf einem dominanten Erbgang. Trägt ein Tier die Anlage, kommt es zur phänotypischen Hornlosigkeit. Ein hornloses Rind kann also reinerbig (homozygot, PP) oder mischerbig (heterozygot, Pp) sein. Für die weitere Verbreitung des Merkmals innerhalb der Herde ist jedoch zu beachten, dass ein mischerbiges Tier auch immer die Anlage zur Hornausprägung trägt und weitergeben kann. Wird dieses Tier an einen anderen Anlageträger angepaart (also Verpaarung zweier phänotypisch hornloser Tiere), liegt die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines gehörnten Kalbes bei 25%; bei Anpaarung an ein gehörntes Tier sogar bei 50%. Nur wenn zumindest eines der beiden Tiere reinerbig für Polled ist, treten in der direkten Nachkommenschaft keine gehörnten Kälber mehr auf.
Scurs/Wackelhörner:
Ein weiterer Genort hat Einfluss auf die Hornausprägung. Je nach genetischen Eigenschaften am Scurred-Locus, kann es zur Wackelhornbildung kommen. Diese sogenannten Scurs, die in ihrer Größe von kleinen Krustenschuppen bis zu etwa 20 cm langen Hörnern variieren können, weisen in der Regel keine knöcherne Verbindung zum Stirnbein auf, können aber im Laufe der Zeit fest mit dem Schädel verwachsen. Zur Wackelhornausprägung kann es nur im Zusammenhang mit genetischer Hornlosigkeit am Polled-Locus kommen (also bei PP oder Pp Tieren). Des Weiteren ist das Auftreten von Scurs geschlechtsabhängig.
Polled-Test:
Da der genaue Genort für Polled bislang nicht bekannt ist, findet hier ein indirekter Gentest Anwendung. Zu diesem Zweck werden diverse Marker am Polled-locus molekulargenetisch untersucht. Im Vergleich mit bereits vorliegenden Daten und Ergebnissen verwandter Tiere, kann auf die Eigenschaften am eigentlichen Genort geschlossen werden. Dies funktioniert besonders gut für Rassen, von denen genug Referenzdaten vorliegen (z.B. Fleckvieh, Sicherheit 96%). Für andere Rassen ist es häufig nötig, (kostenfrei) Proben von verwandten Tieren – am besten gehörnte Voll- und Halbgeschwister – mit untersuchen zu lassen.
Durch ein solches Testergebnis ist es möglich, gezielt homozygote Tiere für die Zucht einzusetzen, um die Verbreitung und Festigung der Hornlosigkeit im Bestand erleichtern und die Wahrscheinlich von gehörnten Nachkommen zu minimieren.
Quelle: Stiftung tierärztliche Hochschule Hannover
Weitere Informationen zum Thema Genotypisierung bei Rindern:
Die Bestimmung der IGENITY® HORN / POLL PROFILE (genetische Hornlosigkeit) und IGENITY® BEEF PROFILE (Fleisch-Profil) finden sie auf der Website unter dem Link: www.medigenomix.de.
Hier stehen ihnen zu den einzelnen Tests Informationsflyer zum Download bereit.
Neben verschiedenen Untersuchungsmethoden bietet die Firma GeneControl auf Ihrer Website unter www.genecontrol.de Informationen zur Bestimmung der Hornlosigkeit sowie eine Anleitung zur Probenahme.